Die kleine Charlotte Figi: Sie ist fast an Epilepsie gestorben, erst CBD hat sie gerettet

Den ersten Anfall erlitt sie bereits im Alter von nur drei Monaten. Mit fünf Jahren war sie auf den Rollstuhl angewiesen, sie hatte bis zu 300 Anfälle wöchentlich und konnte nur schwer sprechen. Das amerikanische Mädchen Charlotte Figi litt am Dravet-Syndrom, einer seltenen und genetisch bedingten Form der Epilepsie, die kleine Kinder heimsucht. Die Schulmedizin konnte ihr nicht helfen. Als sie sechs Jahre alt war, beschloss ihre Mutter Paige, die Behandlung mit CBD auszuprobieren. Und das kleine Mädchen begann, die Geschichte der Medizin neu zu schreiben.

29. Mai 2020
CannaBros

Charlotte wurde im Oktober 2006 im amerikanischen Colorado als eine von zwei Zwillingsschwestern geboren. Im Unterschied zu ihrer Schwester Chase hatte das Schicksal ihr aber grausame Karten in die Wiege gelegt. Als Charlotte drei Monate alt war, badete ihr Vater Matt sie, legte sie auf den Rücken und schickte sich an, ihr eine Windel anzulegen. In diesem Augenblick begann das Mädchen, unkontrolliert zu zittern und mit den Augen zu zwinkern. Der Anfall dauerte etwa eine halbe Stunde und zwang die erschrockenen Eltern, sofort ins Krankenhaus zu fahren.

Die Ärzte fanden nichts und versicherten den Eltern, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen vereinzelten Anfall gehandelt habe, der sich nicht wiederholen werde. Nach einer Woche kam der nächste, und nach diesem immer weitere. Die Anfälle wiederholten sich immer häufiger und dauerten auch mehrere Stunden. Die kleine Charlie, wie die Eltern sie nannten, verbrachte immer mehr Zeit im Krankenhaus. Zu Anfang waren die Ärzte ratlos und wiederholten der Familie, dass die Anfälle mit dem Alter abklingen werden, schließlich aber kamen sie mit der niederschmetternden Diagnose – Dravet-Syndrom.

Heilungschancen? Null.

Diese seltene und genetisch bedingte Form der Epilepsie sucht Kinder ab dem Säuglingsalter heim, und es gibt kein Medikament gegen sie. Die Ärzte versuchten die Anfälle, die immer intensiver wurden, durch sehr starke Medikamente unter Kontrolle zu halten. Charlie erhielt sieben verschiedene Medikamente, einschl. gefährlicher und stark suchtauslösender Barbiturate und Benzodiazepine. Diese verschafften ihr zwar manchmal Erleichterung, aber immer nur für sehr kurze Zeit. Die Anfälle kamen nach einer Zeit zurück und waren noch intensiver.

Als sie zwei Jahre alt war, begannen die harte Behandlung und die unendlichen Anfälle ihren Tribut zu fordern. Charlotte blieb gegenüber ihrer Schwester in ihrer Entwicklung zurück, sie verkümmerte sozusagen direkt vor den Augen ihrer Eltern. Matt, Mitglied der Spezialeinheit der amerikanischen Armee, kündigte seine Arbeit und begann zusammen mit Paige nach neuen Therapiemöglichkeiten zu suchen.

Ratlose Ärzte

Gegen Charlottes Anfälle half aber leider nichts. Eines Tages stieß Matt auf das Video eines Jungen, der in Kalifornien lebte und bei dem es gelang, das Dravet-Syndrom dank der Behandlung mit Hanf unter Kontrolle zu bekommen, konkret mit einer veredelten Sorte, die nur minimale THC-, aber große CBD-Mengen enthielt. Zu dieser Zeit konnte Charlie schon nicht mehr laufen und sprechen, sie hatte Schwierigkeiten bei der Nahrungsaufnahme und etwa 300 sog. Grand-mal-Anfälle wöchentlich. Mehrfach blieb auch ihr Herz stehen. Bei einer solchen Gelegenheit schlugen die Ärzte der Familie sogar vor, dass Mädchen in ein künstliches Koma zu versetzen, um ihrem geschwächten Körper endlich Ruhe zu verschaffen.

Charlotte war fünf Jahre alt, als Paige und Matt definitiv begriffen, dass die Schulmedizin ihrem Kind nicht helfen kann. Und gerade da beschlossen sie, medizinischen Hanf auszuprobieren.

Die letzte Rettung

In Colorado ist der Gebrauch von medizinischem Marihuana seit 2000 für Patienten mit acht Diagnosen legal. Anfälle und Muskelkrämpfe gehören zwar zu ihnen, aber das Durchschnittsalter der Patienten war zu dieser Zeit 42 Jahre, und unter 18 Jahren waren nur einige Dutzende von ihnen. Auf Kinder bezog sich das Programm nicht, vor allem aufgrund von Befürchtungen, dass die Verwendung von Hanf im Kindesalter die Gehirnentwicklung stören oder andere, bisher von der Wissenschaft nicht entdeckte Nebenwirkungen haben könnte. Aber obgleich Paige und Matt immer gegen den Gebrauch von Marihuana in jeglicher Form waren, beschlossen sie, diese Chance mit allen ihnen verbliebenen Kräften zu ergreifen.

Nach vielen Peripetien geriet die Familie Figi an die Ärztin Margaret Gedde, die Charlie untersuchte und vernünftig urteilte, dass die potentiellen Schäden, die der Gebrauch von Hanf verursachen könnte im Vergleich zu dem, wie Charlies Gehirn von den Anfällen und wahrscheinlich auch von den Medikamenten devastiert wird, fast bedeutungslos sind. Damit die kleine Charlie einen Patientenausweis bekommen konnte, war noch die Fürsprache eines weiteren Arztes notwendig. Dieser wurde der Harvard-Absolvent Dr. Alan Shackelford.

Versuchskaninchen

Paige gelang es schließlich, eine Ausgabestelle für medizinisches Marihuana in Denver zu finden, wo sie eine kleine Menge der R4 genannten Sorte kaufe, die einen geringen THC-Gehalt und demgegenüber einen höheren CBD-Gehalt hatte. Für 60 Gramm bezahlte sie 800 Dollar. Ihr Bekannter stellte dann daraus einen Extrakt her, den Charlie nach dem Testen im Labor einzunehmen begann.

„Wir machten aus ihr ein illegales Versuchskaninchen, weil man offiziell eigentlich nichts Derartiges in den Vereinigten Staaten machen darf – laut dem föderalen Gesetz ist Hanf immer und überall eine illegale Droge. Um die Wahrheit zu sagen, am Anfang war ich vor Angst außer mir“, erzählte Paige später den CNN-Reportern.

Allerdings stellten sich die Ergebnisse sofort ein und waren beinahe unglaublich. In der ersten Stunde nach der CBD-Gabe hatte Charlie keinen einzigen Anfall, obwohl sie normalerweise pro Stunde drei bis vier hatte. Die Eltern beteten, dass das wenigstens noch eine weitere Stunde anhalten möge. Charlotte hatte aber ganze sieben Tage keinen Anfall.

Charlotte´s Web

Nur war der Extrakt schnell verbraucht. Zum Glück hörte Paige von der Firma der Brüder Stanley, die zu den größten Anbauern von medizinischem Marihuana in Colorado gehörte und auch eine speziell veredelte Sorte mit hohem CBD-Gehalt verkaufte, deren THC-Gehalt fast Null war. Charlotte bekam den Hanfauszug zweimal täglich in ihre Mahlzeit, die Dosis legte Dr. Gedde auf ein bis zwei Milligramm Extrakt auf ein Kilogramm Körpergewicht fest. Dieses Dosis genügte, damit Charlie fast gar keine Anfälle hatte.

Mit sechs Jahren begann Charlotte endlich ein Leben zu führen wie andere Kinder. Sie hatte zwei bis drei Anfälle im Monat, und das meist überwiegend im Schlaf. Sie konnte normal gehen, Rad fahren, essen und sprechen. Die Brüder Stanley benannten die Sorte, die ihr so half, und mit ihr ihre ganze Firma nach ihr und nach dem bekannten Kinderbuch von E. B. White Charlotte´s Web [Deutsche Ausgabe: Wilbur und Charlotte] um. „Meine Frau und ich verfolgen, wie Charlie anfängt, Zusammenhänge und das Funktionieren ihrer Umgebung zu begreifen, die ihr Gehirn vorher nicht aufnehmen konnte,“ berichtet Matt für CNN. „Ich denke darüber nach, wie es möglich ist, dass wir dieses einzigartige, wirksame Medikament selbst entdecken mussten? Warum gaben uns alle Ärzte die gleichen schädlichen und unwirksamen chemischen Medikamente und warum wusste keiner von ihnen etwas von diesem natürlichen, ungiftigen Mittel?“

Charlie löste eine Revolution aus

Heute wird die Sorte Charlotte´s Web von Patienten mit Krebs, Epilepsie, aber auch Parkinson verwendet. Viele von ihnen entschlossen sich erst nach der Veröffentlichung von Charlottes Geschichte zu dieser Behandlung. Der Fall zog auch die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern auf sich, die er dazu anregte, die Wirkungen von CBD bei der Behandlung der Epilepsie bei Kindern zu erforschen. Hypothesen besagen, dass CBD die übermäßige und chemische Aktivität des Gehirns, die die Anfälle hervorruft, beruhigen kann.

Leider verlor Charlie selbst ihren Kampf schließlich im Alter von 13 Jahren. Im April 2020 inmitten der weltweiten Coronavirus-Pandemie wurde sie mit Lungenentzündung stationär behandelt, durch die schrittweise die Anfälle, Atemversagen und schließlich auch Herzversagen ausgelöst wurden. Charlotte starb ruhig in den Armen ihrer aufopferungsvollen Mutter. Aus dem Verlauf und den Symptomen der Erkrankung schlossen die Ärzte, dass sie schließlich wahrscheinlich gerade an Covid-19 starb. Das Mädchen, dass die Sicht der Öffentlichkeit und der Fachwelt auf die Heilwirkungen von Hanf verwandelte, wird jetzt nie mehr Anfälle erleiden.

Foto: Charlotte´s Web